TYPISCH SCHWEIZ – UNSERE HOCHSTAMMLANDSCHAFTEN

In vielen Gegenden der Schweiz prägen die Hochstammobstbäume das vertraute Bild der Schweizer Kulturlandschaft. Ohne die stolzen Bäume würden sie ihren typischen Charakter verlieren. Was wären etwa die Nordschweiz ohne Hochstammkirschenbäume? Wie würde die Bodenseeregion ohne ihre weitausladenden Apfel- und Birnenbäume aussehen? Eigentlich kaum vorstellbar. Hochstammobstbäume stellen daher vor allem auch eins dar: ein wertvolles Erbe der Schweiz, das es zu bewahren gilt.

AJOIE – HEIMAT DER DAMASSINE-PFLAUME

Die Ajoie, im Nordosten, am äussersten Zipfel der Schweiz, gilt als der Obstgarten des Juras. Besonders viele Hochstammbäume finden sich in der Region Baroche, mindestens alle 50 Meter steht hier noch ein Baum. Die pittoresken Dörfchen schmiegen sich in die weiträumigen Obstgärten, die so typisch sind für die hiesige Landschaft. Hier gedeiht auch die selten gewordene Damassine-Pflaume.
Aus der kleinen roten Pflaume wird ein feiner Schnaps gebrannt: die Damassine. Sie wird nicht gepflückt. Nur die von selbst abgefallenen vollreifen Früchte werden aufgelesen. Wo sie ihren Ursprung hat, ist nicht ganz geklärt. Sicher ist jedenfalls, dass die «Damassine» auf die syrische Hauptstadt Damaskus zurückzuführen ist.
SCHWARZBUBENLAND – DAS KIRSCHENPARADIES

Nirgendwo in der Schweiz gibt es so viele Hochstammkirschbäume wie im solothurnischen Schwarzbubenland. Das grösste zusammenhängende Kirschbaumgebiet befindet sich den Gemeinden Nuglar-St. Pantaleon und Büren. Rund 10'000 Hochstammkirschenbäume stehen hier auf den Feldern. Auf jeden Einwohner der Gemeinde kommen so rund sechs Hochstammbäume. Einige der Bäume sind sogar 100 Jahre alt. Wie im Baselbiet, einem weiterem Kirschenparadies in nächster Nachbarschaft, kommt der lockere, warme und nährstoffreiche Boden mit relativ wenig Regen aus und bietet so die idealen klimatischen Bedingungen für den «Chirsi»-Anbau. Wenn hier die Kirschbäume im Frühling blühen, verwandelt sich das metaphorische Eintauchen in ein «weisses Blütenmeer» zu einer ganz realistischen Möglichkeit.
OBERBASELBIET UND FRICKTAL – ZWETSCHGENNESTER

Die weitläufigen Hochflächen des Baselbieter und Fricktaler Tafeljura sind geprägt von imposanten Hochstammobstbäumen. In der offenen Flur stehen Kirschen, in den Baumgärten der Dörfer, den Talmulden und entlang der Bäche Zwetschgen. Besonders ausgeprägt sind die Zwetschgenhaine im wunderschönen Baselbieter Dorf Oltingen. Oltingen ist ein typisches Posamenterdorf. Früher wurden hier Seidenbänder gewoben. Da das Dorf in einem frostgefährdeten Talkessel liegt, dominieren hier die Zwetschgen und nicht die frostempfindlichen Kirschen. Dieser ausgeprägte traditionelle Zwetschgenhain konnte in einer schweizweit wohl einmaligen Art bis heute bewahrt bleiben.
MOSTINDIEN – DIE HOCHSTAMMHOCHBURG

Was wäre Mostindien, wie die Gegend rund um den Bodensee im Volksmund mit einem Augenzwinkern genannt wird, ohne seine prächtigen Hochstammapfel- und -birnbäume? Den Namen «Mostindien» verdankt die Ostschweiz ihrer grossen Dichte an Obstbäumen. Zur Blütezeit im 19. Jahrhundert standen hier fast 900'000 Hochstämmer und noch heute wachsen hier die meisten Obstbäume der Schweiz.
Neben den Grossmostereien hat die traditionelle bäuerliche Obstverwertung wieder an Bedeutung gewonnen. Viele Landwirte verkaufen Süssmost direkt ab Hof. Da die typischen Mostapfelsorten überwiegend Hochstämmer sind, hat der Hochstammobstanbau in der Ostschweiz gute Perspektiven.
APPENZELLERLAND – BIERIDEE RETTET HOCHSTAMMBÄUME

Appenzell-Innerrhoden gilt als Bilderbuchlandschaft der Schweiz. Der äussere Landesteil Oberegg unterscheidet sich aber vom «typischen» Bild des Appenzells, liegt die Region doch im klimatischen Einfluss des Rheintals. Ausgeprägt vorhanden und typisch für das Landschaftsbild sind die Hochstammobstgärten. 1870 zählte man in den Appenzeller Gemeinden nicht weniger als 120 Apfel- und 80 Birnensorten. Und viele Mostereien. Tempi passati. In den letzten Jahren fielen unzählige der Hochstammobstbäume dem Feuerbrand zum Opfer. Doch jetzt sorgt eine «Bieridee» für eine Renaissance der Hochstammbäume: Die IG Appenzellerobst und die Brauerei Locher sorgen mit dem Bschorle – einem Mischgetränk aus Bier und Süssmost – für Furore und Absatz.
LUZERNER SEETAL – DAS TAL DER BIRNEN Das Luzerner Seetal ist das Land der Schlösser, Seen und Birnen. Die vielen Seen der Region schaffen ein mildes Klima, das für den Obstanbau besonders günstig ist. Rund um die Seen hat sich eine einzigartige Kulturlandschaft erhalten können. Über 100 Jahre alte Birnenbäume stehen als monumentale Einzelbäume in der Landschaft. Obstspezialitäten wie Öpfelringli und Wiliams-Obstbrand sind aus einer langen Tradition hervorgegangen.
ZUGER-RIGI-CHRIESI-LAND – HEIMAT DER ZUGER KIRSCHTORTE

Wie im Baselbiet und Schwarzbubenland sind die Hochstammkirschbäume kulturell und landschaftlich tief in der Region Zug-Rigi verankert. Begünstigt durch das milde Klima des Vierwaldstättersees gibt es hier über 300 Kirschensorten. Aus der langen Kirschenanbautradition entstanden zahlreiche kulinarische Köstlichkeiten wie die Chriesiwurst, der Zuger Kirsch und natürlich die berühmte Zuger Kirschtorte.
Neben dem kulinarischen Genuss sind die markanten Kirschenhochstämmer eine wahre Augenweide. Eingebettet in das Panorama schneebedeckter Berge und sanfter Seelandschaften verleihen die Kirschbäume im Frühling und im Sommer der Region den Charme einer echten Postkartenidylle.
DOMLETSCHG – BURGEN, SCHLÖSSER UND OBSTGÄRTEN

Das Domletschg im Kanton Graubünden profitiert als inneralpines Längstal von einem Mikroklima mit viel Sonne – prädestiniert für den Obstanbau. Eine Wanderung durch diese urtümliche Region führt an Burgen, Schlössern und an vielen Hochstammapfelbäumen vorbei. Rund 100 Apfel- und 40 Birnensorten wurden hier bestimmt. Diese haben so wohlklingende Namen wie Himbeerapfel, Kaiser Wilhelm, Schöner von Nordhausen oder Verzückung. Wer sich für einen Ausflug in dieser an Naturschönheiten und Kulturgütern reichen Region entscheidet, wird nicht enttäuscht. Die in Bluescht stehenden Apfelbäume zeigen im Frühling ihre ganze Pracht vor der malerischen Kulisse des verschneiten Piz Beverin.
BÜNDNER SÜDTÄLER – TRADITIONELLE KASTANIENSELVEN

Im Bergell, zwischen Castasegna und Soglio, bilden riesige Bäume eine der grössten und schönsten Edelkastanienselve Europas. Die Römer brachten vor rund 2000 Jahren die Edelkastanie ins Bergell, die dank des milden Klimas gut gedieh. Es entstand eine parkartige Kulturlandschaft mit Kastanienbäumen, Terrassierungen, Weiden und Dörrhäusern. Über Jahrhunderte hinweg war die Kastanie im Bergell und auch im Tessin ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Auf den Terrassen stehen noch heute bis zu 300 Jahre alte Kastanienfruchtbäume. Bergeller Bauernfamilien trocken die Kastanien in den historischen «Cascine» mehrere Wochen lang über schwelendem Feuer, um sie später weiterzuverarbeiten.
TESSIN – DAS MARRONI-LAND

Auch das Tessin ist klassisches Marroni-Land. Nachdem die Kastanie in der zweite Hälfte des vergangenen Jahrhunderts mit dem Aufkommen von Mais und Kartoffeln in Vergessenheit geriet, erlebt sie heute ein Revival. Im Tessin wurden in den vergangenen Jahren viele verwaldete Selven wieder restauriert. Auch kulinarisch erlebt die edle Hochstammfrucht in Form neuer Produkte wie Kastanientagliatelle, Kastanienbrot oder Kastanienwhiskey ein Comeback. Die ersten Hochstamm Suisse-zertifizierten Kastanienprodukte sind bereits auf den Markt gekommen.
GENF – EINES DER LETZTEN REFUGIEN DES STEINKAUZES

Neben der Ajoie und der Magadinoebene gehört die Region Genf zu den letzten Refugien des Steinkauzes. Einst weit verbreitet ist die kleine Eule in der Schweiz mittlerweile vom Aussterben bedroht. Der Steinkauz brütet in Höhlen alter Bäume und sucht sich seine Nahrung auf den Wiesen der Hochstammobstgärten. In Genf befindet sich die grösste Steinkauzpopulation der Schweiz, die dank gezielten Artenschutzprojekten wieder im Aufwind ist.
BERNER SEELAND

Wer kennt sie nicht: die Berner Rose. Sie wurde 1888 vom Baumschulbesitzer Daepp in bernischen Oppligen als Frucht eines Zufallssämlings erstmals geerntet und zeugt davon, dass es auch im Kanton Bern eine reiche Hochstammkultur gibt. Zahlenmässig stehen hier sogar die meisten Hochstammbäume der Schweiz. Besonders reich an Hochstammbäumen ist das Berner Seeland. Begünstigt durch das milde Klima werden hier auch wieder Nussbäume angepflanzt.
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